Hyperkaliämie-Risikorechner
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Wenn ein Arzt einem Patienten mit Herzinsuffizienz sowohl einen ACE-Hemmer als auch Spironolacton verschreibt, geht es nicht nur um bessere Lebensqualität - es geht ums Überleben. Die Kombination dieser beiden Medikamente hat in Studien wie RALES gezeigt, dass sie die Sterblichkeit bei schwerer Herzinsuffizienz um bis zu 30 % senken kann. Doch hinter diesem klaren Nutzen verbirgt sich ein gefährliches Risiko: Hyperkaliämie, also zu viel Kalium im Blut. Und dieses Risiko ist in der Praxis viel höher, als man aus klinischen Studien glauben würde.
Warum diese Kombination so gefährlich ist
ACE-Hemmer und Spironolacton wirken auf dieselbe Stelle im Körper - das Aldosteron-System. ACE-Hemmer blockieren das Enzym, das Angiotensin II produziert. Dadurch wird weniger Aldosteron freigesetzt. Aldosteron ist das Hormon, das die Nieren dazu bringt, Kalium auszuscheiden. Weniger Aldosteron = weniger Kalium-Abbau. Spironolacton geht noch einen Schritt weiter: Es blockiert direkt die Aldosteron-Rezeptoren in den Nieren. Das heißt, selbst wenn noch etwas Aldosteron da ist, kann es nicht mehr wirken. Das Ergebnis? Kalium bleibt im Körper. Und das kann gefährlich werden.Ein Kaliumwert über 5,0 mmol/L gilt als Hyperkaliämie. Bei einer Kombination aus ACE-Hemmer und Spironolacton steigt die Wahrscheinlichkeit dafür auf bis zu 13,5 % - laut RALES-Studie. In der realen Praxis, wo Patienten oft älter sind, mehr Krankheiten haben und nicht so streng überwacht werden, ist das Risiko noch höher. Eine Studie aus Deutschland mit über 134.000 Patienten zeigte: Die Kombination führt in der Alltagsmedizin deutlich häufiger zu gefährlich hohen Kaliumwerten als in kontrollierten Studien.
Wer ist am meisten gefährdet?
Nicht jeder, der diese Medikamente nimmt, bekommt Hyperkaliämie. Aber einige Gruppen laufen besonders hohe Gefahr:- Ältere Patienten (über 70 Jahre): Die Nieren funktionieren langsamer, und die Körperregulation ist weniger flexibel. Ein Jahr nach Beginn der Therapie haben 10 % der älteren Patienten mit ACE-Hemmern einen Kaliumwert über 6,0 mmol/L - das ist lebensbedrohlich.
- Menschen mit Nierenproblemen: Wenn die Kreatinin-Werte über 136 µmol/L steigen oder die eGFR unter 60 mL/min/1.73m² fällt, ist das Risiko drei- bis viermal höher. Die Nieren können das Kalium einfach nicht mehr richtig ausscheiden.
- Diabetiker: Oft haben sie eine verminderte Nierenfunktion (diabetische Nephropathie) und eine gestörte Hormonregulation, die das Kalium-Gleichgewicht durcheinanderbringt.
- Patienten mit bereits erhöhtem Kalium: Wenn der Wert vor Beginn der Therapie schon über 5,0 mmol/L liegt, ist die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Steigerung sehr hoch.
- Schwere Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III/IV): Je schlechter das Herz funktioniert, desto mehr fließt das Blut langsamer durch die Nieren - und desto weniger Kalium wird ausgeschieden.
Wenn einer dieser Faktoren zutrifft, sollte die Therapie nicht abgelehnt werden - aber sie muss mit großer Sorgfalt angegangen werden.
Was passiert, wenn das Kalium zu hoch wird?
Ein leicht erhöhter Kaliumwert (5,1-5,5 mmol/L) kann erst mal keine Symptome verursachen. Viele Patienten fühlen sich gut. Aber das ist trügerisch. Kalium beeinflusst direkt die elektrische Aktivität des Herzens. Bei Werten über 6,0 mmol/L kann es zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen kommen - von unregelmäßigen Schlägen bis hin zum Herzstillstand.Interessant ist: In der RALES-Studie starben Patienten mit extrem niedrigem Kalium (unter 3,5 mmol/L) und mit extrem hohem Kalium (über 6,0 mmol/L) am häufigsten. Aber die Patienten mit Werten zwischen 5,0 und 5,5 mmol/L hatten weiterhin einen klaren Überlebensvorteil durch Spironolacton. Das bedeutet: Ein Kaliumwert von 5,2 mmol/L ist kein Grund, das Medikament sofort abzusetzen. Es ist ein Signal, vorsichtiger zu werden - nicht zu aufgeben.
Wie wird das Risiko kontrolliert?
Die Leitlinien der American College of Cardiology und der Heart Failure Society of America sagen klar: Überwachung ist alles.- Bevor du startest: Bluttest auf Kalium, Kreatinin und Harnstoff. Wenn Kreatinin über 136 µmol/L oder eGFR unter 30 liegt, ist die Kombination riskant - aber nicht unmöglich.
- 7-14 Tage nach Beginn: Erster Kontroll-Bluttest. Bei Hochrisikopatienten (älter, Diabetes, Nierenprobleme) schon nach 3-5 Tagen.
- Bei jeder Dosisanpassung: Neue Blutabnahme. Wenn du die Dosis von Spironolacton von 12,5 mg auf 25 mg erhöhst, musst du nach einer Woche nachschauen.
- Alle 4 Monate: Regelmäßige Kontrolle, auch wenn alles stabil scheint.
Ein Anstieg der Kreatinin um bis zu 30 % oder ein Rückgang der eGFR um bis zu 25 % ist akzeptabel - solange der Kaliumwert stabil bleibt. Viele Ärzte stoppen die Therapie zu früh, weil sie Angst vor einer leichten Kreatinin-Erhöhung haben. Das ist falsch. Der Nutzen von Spironolacton überwiegt die Risiken - wenn du regelmäßig kontrollierst.
Was tun, wenn das Kalium zu hoch ist?
Es gibt kein einheitliches Rezept - aber klare Stufen:- 5,1-5,5 mmol/L: Reduziere Spironolacton auf 12,5 mg täglich. Halte den ACE-Hemmer bei. Überwache alle 5-7 Tage. Viele Patienten stabilisieren sich so und profitieren weiter vom Überlebensvorteil.
- 5,6-6,0 mmol/L: Unterbreche Spironolacton für 1-2 Wochen. Prüfe, ob andere Faktoren die Hyperkaliämie verschlimmern - wie Nierenversagen, Infektionen oder Medikamente wie NSAIDs (Ibuprofen, Diclofenac). Setze Spironolacton erst wieder an, wenn der Wert unter 5,0 mmol/L sinkt - und dann mit 12,5 mg.
- Über 6,0 mmol/L: Sofortige Absetzung. Notfallbehandlung nötig: Kalziumglukonat (für das Herz), Insulin + Glukose (um Kalium in die Zellen zu ziehen), Salbutamol (Atemspray), oder Dialyse bei schwerem Versagen. Dies ist kein Hausarzt-Fall - das ist Klinik.
Verzichte nicht auf Spironolacton nur, weil der Kaliumwert leicht gestiegen ist. Der Nutzen ist zu groß. Die Kunst liegt im Abwägen - nicht im Absetzen.
Neue Lösungen im Horizont
Spironolacton ist billig - etwa 4 Dollar im Monat. Aber es ist nicht perfekt. Neue Medikamente wie Finerenon (FIDELIO-DKD-Studie, 2020) zeigen, dass es bessere Alternativen gibt. Finerenon ist ein nicht-steroidales Mineralokortikoidrezeptorantagonist - und es verursacht deutlich weniger Hyperkaliämie als Spironolacton. In der Studie reduzierte es das Risiko für Hyperkaliämie, die zur Medikamentenabsetzung führte, um 6,5 %. Der Nachteil? Es kostet etwa 450 Dollar im Monat. Für viele Patienten ist das unbezahlbar.Auch SGLT2-Hemmer (wie Empagliflozin) helfen. Die EMPA-HEART-Studie (2022) zeigte, dass sie das Hyperkaliämie-Risiko um 22 % senken, wenn sie zur Kombination aus ACE-Hemmer und Spironolacton hinzugefügt werden. Das ist vielversprechend - aber noch nicht Standard.
Die Zukunft liegt nicht darin, Spironolacton abzuschaffen - sondern darin, es intelligenter einzusetzen: mit besseren Überwachungsprotokollen, mit neuen Medikamenten für Hochrisikopatienten und mit mehr Aufklärung.
Warum viele Ärzte diese Kombination trotzdem nicht verschreiben
Eine Studie aus dem American Heart Journal (2017) zeigte: Nur 28,5 % der Patienten, die von Spironolacton profitieren würden, bekommen es tatsächlich. Der Hauptgrund? Angst vor Hyperkaliämie. In 63 % der Fälle wurde es nicht verschrieben, weil der Arzt dachte, das Risiko sei zu hoch.Doch das ist ein Irrtum. Die Daten zeigen: Mit richtiger Überwachung ist die Kombination sicher. Und sie rettet Leben. Wer die Therapie verweigert, verweigert nicht nur ein Medikament - er verweigert eine Chance auf längeres Leben.
Die Antwort ist nicht: „Nicht verschreiben“. Die Antwort ist: „Verschreiben - aber genau überwachen.“
Kann ich Spironolacton und ACE-Hemmer trotz hoher Kaliumwerte weiternehmen?
Ja - aber nur mit Vorsicht. Wenn der Kaliumwert zwischen 5,1 und 5,5 mmol/L liegt, sollte die Spironolacton-Dosis auf 12,5 mg pro Tag reduziert werden, nicht abgesetzt. Studien zeigen, dass der Überlebensvorteil bis zu einem Wert von 5,5 mmol/L erhalten bleibt. Ein Wert über 6,0 mmol/L erfordert sofortige Absetzung und medizinische Notfallversorgung.
Warum ist das Risiko in der Praxis höher als in Studien?
Klinische Studien schließen Patienten mit starken Nierenproblemen, hohem Alter oder Diabetes oft aus. In der realen Praxis haben die meisten Patienten genau diese Risikofaktoren. Außerdem wird in Studien das Blut häufiger kontrolliert - oft wöchentlich. In der Alltagsmedizin passiert das nur alle paar Monate. Das führt dazu, dass Hyperkaliämie erst spät erkannt wird - und dann oft schwerer.
Sollte ich auf Salz mit niedrigem Natrium umsteigen?
Nein. Salze mit niedrigem Natrium enthalten oft Kaliumchlorid - das erhöht den Kaliumspiegel noch mehr. Vermeide diese Produkte. Stattdessen solltest du auf verarbeitete Lebensmittel verzichten, die oft verstecktes Kalium enthalten, wie Fertiggerichte, Suppen oder Soßen. Eine echte Kaliumreduktion durch Ernährung ist schwer - aber die Vermeidung von Kaliumzusätzen ist wichtig.
Welche Medikamente verschlimmern das Risiko?
Neben ACE-Hemmern und Spironolacton erhöhen folgende Medikamente das Hyperkaliämie-Risiko: ARBs (z. B. Losartan), NSAIDs (Ibuprofen, Diclofenac), Beta-Blocker, Trimethoprim (ein Antibiotikum), und Kaliumpräparate. Auch Diuretika wie Triamteren oder Amilorid, die kaliumsparend wirken, dürfen nicht mit Spironolacton kombiniert werden.
Kann ich stattdessen Finerenon nehmen?
Finerenon ist eine Option - besonders für Diabetiker mit Nierenschäden. Es verursacht weniger Hyperkaliämie als Spironolacton. Aber es ist deutlich teurer (ca. 450 $/Monat vs. 4 $/Monat). Es ist nicht für alle Herzinsuffizienz-Patienten zugelassen - nur für die mit Diabetes und Nierenbeteiligung. Spironolacton bleibt die erste Wahl, wenn Kosten und Indikation passen.
Geschrieben von Fenja Berwald
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