Selbstmitgefühl-Praktikum
Führe die folgende Atemübung durch, wenn du dich überwältigt fühlst:
- Setze dich bequem hin, schließe die Augen.
- Atme tief durch die Nase ein, zähle dabei bis vier.
- Halte den Atem für vier Sekunden an.
- Atme langsam durch den Mund aus, zähle bis sechs.
Wiederhole das dreimal. Diese Übung beruhigt das Nervensystem und schafft Raum für das aktuelle Gefühl.
Ersetze kritische Gedanken durch mitfühlende Formulierungen:
- „Ich fühle mich schlecht, das ist in Ordnung.“
- „Jeder Mensch hat mal einen schlechten Tag.“
- „Ich darf mir jetzt eine Pause gönnen.“
Schreibe diese Sätze in dein Tagebuch und lese sie dir an Tagen mit wenig Motivation erneut durch.
Einige einfache Fürsorgeaktionen, die du täglich integrieren kannst:
- Ein warmes Bad nach einem langen Arbeitstag.
- Eine Tasse Kräutertee, wenn du das Gefühl hast, nicht genug zu trinken.
- Ein kurzer Spaziergang, selbst wenn du nur fünf Minuten an die frische Luft gehst.
Deine Einträge werden hier angezeigt. Starte mit einer Atemübung oder schreibe deine erste mitfühlende Aussage.
Wenn depressive Stimmung dich fest im Griff hat, ist es leicht, sich selbst zu verurteilen. Doch genau dann kann Selbstmitgefühl den Unterschied zwischen Verharren im Schmerz und langsamem Aufstehen bedeuten. In diesem Leitfaden erfährst du, wie du mit einfachen, alltagstauglichen Methoden freundlich zu dir selbst bist - selbst wenn die Gedanken schwer wie Blei sind.
Kurze Übersicht
- Selbstmitgefühl ist kein Luxus, sondern ein nachweislich wirksames Gegenmittel zu depressiven Gedankenkreisen.
- Die drei Kernschritte - Achtsamkeit, selbstfreundliche Sprache und kleine Fürsorge‑Aktionen - lassen sich sofort umsetzen.
- Typische Stolperfallen (z.B. kritischer innerer Dialog) erkennst du und kannst gezielt umgehen.
- Integration in Therapie, Atemübungen und ein Tagebuch stärken die Praxis nachhaltig.
- Ein schneller Vergleich zeigt, warum Selbstkritik die Depression verstärkt und Selbstmitgefühl sie mildert.
Was ist Selbstmitgefühl?
Selbstmitgefühl ist die Fähigkeit, sich selbst freundlich und verständnisvoll zu begegnen, besonders in Momenten von Schmerz oder Versagen. Es umfasst drei miteinander verwobene Elemente: Achtsamkeit, geteilte Menschlichkeit und selbstfreundliche Fürsorge. Statt sich selbst zu verurteilen, akzeptierst du die Gefühle, erkennst, dass Leid ein universelles menschliches Erlebnis ist, und reagierst mit Fürsorge.
Warum Selbstmitgefühl bei Depression wichtig ist
Studien der Psychologie zeigen, dass Menschen mit hohem Selbstmitgefühl häufiger aus depressiven Phasen herausfinden. Der Grund liegt in der Unterbrechung des „Negativ‑Spirals“: Wenn du dich selbst kritisierst, steigert das das Stresshormon Cortisol, was depressive Symptome verstärkt. Selbstmitgefühl dagegen aktiviert das parasympathische Nervensystem, senkt den Blutdruck und fördert das Gefühl von Sicherheit.
Schritt1 - Achtsamkeit aktivieren
Achtsamkeit bedeutet, gerade im Moment zu beobachten, was du fühlst, ohne es zu bewerten. Beim ersten Anzeichen von Niedergeschlagenheit kannst du die Atemübung einsetzen:
- Setze dich bequem hin, schließe die Augen.
- Atme tief durch die Nase ein, zähle dabei bis vier.
- Halte den Atem für vier Sekunden an.
- Atme langsam durch den Mund aus, zähle bis sechs.
Wiederhole das drei‑mal. Diese Atemübung beruhigt das Nervensystem und schafft Raum, das aktuelle Gefühl zu benennen
Schritt2 - Selbstfreundliche Sprache finden
Der innere Kritiker ist bei Depressionen oft laut. Er sagt Dinge wie: „Ich bin nutzlos“ oder „Ich schaffe das nie“. Ersetze diese Aussagen Schritt für Schritt durch mitfühlende Formulierungen:
- „Ich fühle mich schlecht, das ist in Ordnung.“
- „Jeder Mensch hat mal einen schlechten Tag.“
- „Ich darf mir jetzt eine Pause gönnen.“
Schreibe die neuen Sätze in ein Tagebuch und lese sie dir an Tagen mit wenig Motivation erneut durch. Das stärkt die neue Wortwahl und reduziert das automatische Schwarz‑Weiß‑Denken.
Schritt3 - Kleine Fürsorge‑Aktionen einbauen
Selbstmitgefühl ist keine große, seltene Tat, sondern ein Bündel kleiner, liebevoller Gesten:
- Ein warmes Bad nach einem langen Arbeitstag.
- Eine Tasse Kräutertee, wenn du das Gefühl hast, nicht genug zu trinken.
- Ein kurzer Spaziergang, selbst wenn du nur fünf Minuten an die frische Luft gehst.
Diese Mini‑Rituale signalisieren deinem Gehirn, dass du wert bist und dass deine Bedürfnisse wichtig sind.
Typische Stolpersteine und wie du sie umgehst
Selbstkritik ist das häufigste Hindernis, das Selbstmitgefühl blockiert
Erkenne die kritische Stimme, indem du sie laut aussprichst. Sobald du den Satz hörst, halte inne und frage dich: "Ist das wirklich wahr?" Oft entpuppt sich die Aussage als übertriebene Überzeugung.
Ein zweiter Stolperfall ist das Gefühl, sich mit anderen zu vergleichen. Hier hilft das Prinzip der geteilten Menschlichkeit: Jeder leidet, jeder macht Fehler - das ist normal. Visualisiere einen Kreis von Menschen, die ähnliche Herausforderungen haben. Dieses Bild mindert das Gefühl der Isolation.
Integration in Therapie und Alltag
Wenn du bereits in psychotherapeutischer Behandlung bist, sprich mit deiner Therapie über die Anwendung von Selbstmitgefühltechniken. Viele Therapeut:innen nutzen emotionale Regulationstechniken, die genau hier ansetzen.
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) kann z.B. das Ersetzen von automatischen negativen Gedanken durch selbstmitfühlende Gegenstücke trainieren. Kombiniere CBT‑Übungen mit den oben genannten Achtsamkeits‑ und Fürsorge‑Schritten, um die Wirkung zu verstärken.
SelbstkritikvsSelbstmitgefühl - ein Überblick
| Aspekt | Selbstkritik | Selbstmitgefühl |
|---|---|---|
| Emotionale Wirkung | Steigert Stress und Schuldgefühle | Beruhigt und schenkt Trost |
| Gedanken‑Muster | Schwarz‑Weiß, „Alles oder Nichts“ | Akzeptanz, Balance zwischen Beobachtung und Fürsorge |
| Auswirkung auf Depression | Verstärkt Symptome | Verringert depressive Verstimmungen |
| Handlungsimpuls | Vermeidung, Rückzug | Aktive Selbstfürsorge, kleine Schritte |
Mini‑FAQ
Wie oft sollte ich die Atemübung machen?
Dreimal täglich - morgens, mittags und abends - ist ideal, aber schon ein einziges Mal, wenn du dich überwältigt fühlst, kann helfen.
Kann Selbstmitgefühl meine Medikamente ersetzen?
Nein. Selbstmitgefühl ergänzt, aber ersetzt keine ärztlich verordneten Therapien oder Medikamente. Sprich immer mit deinem Arzt oder deiner Ärztin.
Was mache ich, wenn der innere Kritiker zu laut ist?
Unterbrich den inneren Dialog, indem du laut sagst: "Stopp". Dann führe die Achtsamkeitsübung durch und ersetze den kritischen Satz durch eine mitfühlende Formulierung.
Wie kann ich Selbstmitgefühl in mein Therapie‑Protokoll einbauen?
Bitte deine Therapeutin oder deinen Therapeuten, gemeinsam Selbstmitgefühl‑Übungen als Hausaufgabe zu planen - zum Beispiel ein wöchentliches "mitfühlendes Tagebuch".
Gibt es spezielle Apps, die Selbstmitgefühl trainieren?
Ja, Apps wie "Insight Timer" oder "Headspace" bieten geführte Meditationen zum Thema Selbstmitgefühl an. Achte darauf, dass die Inhalte evidenzbasiert sind.
Selbstmitgefühl ist kein einmaliges Ziel, sondern ein täglicher Trainingsprozess. Beginne heute mit einer kleinen Atemübung, notiere deine erste mitfühlende Aussage, und schenke dir selbst den Raum, den du verdienst. Schritt für Schritt wird das dunkle Tal der Depression weniger erdrückend und mehr ein Weg, den du gemeinsam mit dir selbst gehen kannst.
Geschrieben von Fenja Berwald
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