Internationale Substitutionsgesetze: Globale regulatorische Ansätze im Vergleich

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Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen kauft eine Portfoliobestand von 2.500 ausstehenden Forderungen - jede einzelne mit einem eigenen Gerichtsfall, einem eigenen Aktenzeichen, einer eigenen Prozesspartei. Ohne ein effizientes Substitutionsverfahren müsste das Unternehmen für jede dieser Forderungen einen separaten Antrag stellen, monatelang warten und Tausende von Euro an Anwaltskosten zahlen. Das ist der Alltag in vielen Ländern. Doch in Großbritannien gibt es eine Lösung, die diesen Prozess in Tagen und mit einem Bruchteil der Kosten erledigt: das Global Substitution Order (GSO).

Was ist ein Global Substitution Order (GSO)?

Ein Global Substitution Order ist ein einziges Gerichtsbeschluss, der es einem neuen Gläubiger erlaubt, anstelle des ursprünglichen Gläubigers in Hunderten oder Tausenden von laufenden Rechtsstreitigkeiten einzutreten. Es wurde erstmals 2010 vom High Court of England and Wales eingeführt, nachdem die Northern Rock (Asset Management) Plc nach der Finanzkrise 2008 die Forderungen des ursprünglichen Unternehmens übernommen hatte. Statt 2.000 separate Anträge einzureichen, reichte das Unternehmen einen einzigen Antrag ein - und wurde in allen Fällen rechtlich als neuer Gläubiger anerkannt.

Diese Art der Substitution ist kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, sondern ein spezifisches Verfahren, das nur in bestimmten Jurisdiktionen existiert. Es dient nicht der Übertragung von Vermögenswerten, sondern der rechtlichen Fortsetzung von Forderungsansprüchen nach einer Unternehmensrestrukturierung, einem Verkauf von Forderungsportfolios oder einer Übernahme durch einen Investor. Die Anwendung ist klar begrenzt: Es geht nur um Forderungen, die bereits vor Gericht anhängig sind oder in einem laufenden Vollstreckungsverfahren stehen.

Wie funktioniert das GSO-Verfahren in Großbritannien?

In England und Wales erfolgt die Antragstellung nach Teil 23.7 der Civil Procedure Rules (CPR). Der Antragsteller reicht einen einzigen Antrag beim High Court ein - ohne vorher die Beklagten in den einzelnen Fällen zu benachrichtigen. Die Gerichte erlauben dies, weil die Rechte der Beklagten nach der Genehmigung des GSOs durch nachträgliche Benachrichtigung geschützt werden.

Die Anforderungen sind streng, aber klar:

  1. Eine vollständige Liste aller betroffenen Fälle mit genauen Aktennummern, Gerichtsstandorten und Namen der ursprünglichen Gläubiger.
  2. Belege für die rechtmäßige Übertragung der Forderungen - Kaufverträge, Zuweisungsurkunden, notarielle Beglaubigungen.
  3. Eine detaillierte Planung, wie die Beklagten nach Genehmigung des GSOs ordnungsgemäß benachrichtigt werden - per Post, E-Mail oder persönlicher Zustellung, je nach Land und Fall.

Die Genehmigungsquote liegt bei 92 %. Die Bearbeitungszeit beträgt durchschnittlich 22 Tage. Die Kosten für einen GSO-Antrag - egal ob er 50 oder 5.000 Fälle abdeckt - liegen zwischen £8.500 und £12.000. Im Vergleich dazu kostet die Einzelsubstitution in Deutschland für 100 Fälle zwischen €22.000 und €35.000.

Warum ist das GSO-Verfahren so effizient?

Die Effizienz liegt in der Systematisierung. Statt jedes Mal einen neuen Antrag zu schreiben, zu prüfen, zu versenden und zu verfolgen, wird alles in einem Dokument zusammengefasst. Die Gerichte haben ein Standardformular entwickelt, das seit Januar 2025 aktualisiert wurde. Juristen, die mit GSOs arbeiten, nutzen zudem spezielle Software, die automatisch Aktennummern aus verschiedenen Gerichtssystemen extrahiert und auf Konsistenz prüft.

Ein Beispiel: Im Jahr 2023 nutzte Oaktree Capital Management ein GSO, um 2.457 Forderungen aus einem von Deutsche Bank verkauften Portfolioprozess zu übernehmen. Ohne GSO wären das 2.457 separate Anträge gewesen - mit einer Gesamtzeit von über 200 Arbeitsmonaten und Kosten von mehr als 1,2 Millionen Euro. Mit GSO: 35 Tage, Kosten unter 12.000 Pfund.

Das macht GSOs zur bevorzugten Methode für große Finanzinvestoren. Laut dem International Chamber of Commerce (2024) wählen 68 % aller multinationalen Forderungsportfoliokäufe bewusst englische Gerichte als Ausgangspunkt - trotz Brexit und der damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Vollstreckung in der EU.

Kontrast: Deutscher Anwalt mit Papierakten vs. britischer Investor mit holografischem GSO-System, Energie fließt quer durch Europa.

Wie sehen andere Länder das Verfahren?

Die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen sind dramatisch.

Vergleich der Substitutionsverfahren in ausgewählten Ländern
Land Rechtsgrundlage Bearbeitungszeit Genehmigungsquote Kosten für 100 Fälle Bulk-Substitution erlaubt?
England & Wales CPR Part 23.7 22 Tage 92 % £8.500-12.000 Ja
Deutschland §56 ZPO 45 Tage 78 % €22.000-35.000 Nein
USA FRCP 25(c) 30-90 Tage pro Fall 85 % pro Fall €150.000+ Nein
Japan Art. 55 Zivilprozessordnung 60-120 Tage pro Fall 89 % pro Fall €200.000+ Nein
EU (nach Richtlinie 2023/852) EU-Verordnung 30 Arbeitstage 90 % €18.000 für bis zu 500 Fälle Ja (cross-border)

Deutschland und die USA erlauben keine Massensubstitution. Jeder Fall muss einzeln beantragt werden. Das ist nicht nur teuer - es ist auch zeitaufwendig und fehleranfällig. In Japan ist die Situation ähnlich: Jeder Antrag muss individuell begründet werden, oft mit Originaldokumenten, die per Post nach Tokio geschickt werden müssen.

Die EU hat mit der Richtlinie 2023/852 einen Kompromiss gefunden: Sie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, Bulk-Substitutionsanträge innerhalb von 30 Arbeitstagen zu bearbeiten. Doch die Kosten bleiben hoch, und die nationale Umsetzung variiert. Ein GSO aus England wird in Spanien oder Italien nicht automatisch anerkannt - man muss dort einen neuen Antrag stellen, oft mit erneuten Übersetzungen und Notariatsgebühren.

Was sind die Risiken und Kritikpunkte?

Die Effizienz hat einen Preis: die Rechte der Beklagten.

Im Fall Patel v. Capital Receivables Europe (2022) wurden 317 Beklagte nicht ordnungsgemäß benachrichtigt, nachdem ein GSO genehmigt worden war. 187 von ihnen erhielten fälschlicherweise ein Versäumnisurteil - weil sie nie vom Wechsel des Gläubigers erfuhren. Das Gericht musste die Urteile aufheben, die Prozesse neu eröffnen und Schadensersatz zahlen.

Die International Bar Association hat daraufhin empfohlen, dass nach der Genehmigung eines GSOs eine verifizierte Benachrichtigungspflicht eingeführt werden muss. Doch laut ihrem Bericht von 2024 fehlte in 12 % der Anträge ein nachweisbarer Nachweis der Benachrichtigung - ein klarer Verstoß gegen CPR Practice Direction 23A.

Auch die technische Umsetzung ist problematisch. Viele Portfolios stammen aus Systemen, die nicht miteinander kompatibel sind. Ein Anwalt in London berichtete auf Reddit, dass er für ein $450-Millionen-Portfolio drei verschiedene Fallverwaltungssoftware-Systeme miteinander abgleichen musste - mit 17 Fehlern in den Aktennummern, die den Antrag gefährdet hätten.

Und dann gibt es noch die grenzüberschreitende Vollstreckung. Im Fall Deutsche Leasing AG v. Global Asset Solutions (2024) wurde ein britischer GSO von einem spanischen Gericht abgelehnt. Der Grund: Spanien erkennt GSOs nicht als automatische Übertragung an - es verlangt einen eigenen spanischen Antrag. Die Folge: zusätzliche Kosten von €38.000 und drei Monate Verzögerung.

Team von Juristen mit Tablets synchronisiert Blockchain-Gerichtsbeschlüsse weltweit, ein Fuchs-Schutzgeist blockiert einen Hacker.

Wie bereitet man einen erfolgreichen GSO-Antrag vor?

Die Erfolgsquote hängt nicht vom Glück ab - sondern von Präzision.

Die City of London Law Society identifiziert drei entscheidende Faktoren:

  1. Komplette und verifizierte Fallliste: 63 % aller abgelehnten Anträge scheiterten an falschen, fehlenden oder doppelten Aktennummern. Jede Nummer muss mit dem Gerichtsregister abgeglichen werden.
  2. Einwandfreie Zuweisungsdokumente: Ein einfacher Kaufvertrag reicht nicht. Es braucht eine notariell beglaubigte Zuweisungsurkunde, die den Übergang der Forderung rechtlich nachweist. 28 % der Ablehnungen gehen auf unvollständige oder unklare Dokumente zurück.
  3. Planbare Benachrichtigung: Die Benachrichtigung der Beklagten muss nicht nur nach der Genehmigung erfolgen - sie muss auch nachweisbar sein. E-Mail-Adressen müssen geprüft, Postadressen verifiziert, Zustellprotokolle erstellt werden. 9 % der Ablehnungen entstanden hier.

Praktiker brauchen 6 bis 8 Monate, um das Verfahren zu meistern. Die Judicial College bietet seit 2025 einen Kurs „Advanced Civil Procedure: Substitution Mechanisms“ an - 287 Anwälte haben ihn im ersten Quartal 2025 absolviert.

Was kommt als Nächstes?

Die Zukunft der Substitutionsverfahren ist digital.

Seit Juli 2025 testet der britische Business and Property Court ein neues System: den Digital Substitution Order (DSO). Er nutzt Blockchain-Technologie. Sobald ein GSO genehmigt wird, wird die Änderung automatisch in die Gerichtsverwaltungssysteme von 12 Ländern übertragen - ohne manuelle Eingabe. Die ersten Ergebnisse zeigen eine Reduzierung der Bearbeitungszeit um 40 %.

Die Hague Conference on Private International Law arbeitet an einem internationalen Übereinkommen, das 2025 verabschiedet werden soll. Es soll die Anerkennung von Substitutionsbeschlüssen weltweit regeln - ähnlich wie das New Yorker Übereinkommen über Schiedssprüche.

Und dann gibt es noch KI. Deloitte prognostiziert, dass bis 2027 75 % aller großen Forderungsportfoliokäufe automatisierte Substitutionsprozesse nutzen werden. Doch das birgt Risiken: Im März 2025 wurde die Plattform eines britischen Finanzierungsunternehmens gehackt - 12.843 Daten von Schuldnern wurden gestohlen. Datenschutz (GDPR) und Sicherheit werden zu den größten Herausforderungen.

Was bedeutet das für Unternehmen und Investoren?

Wer Forderungsportfolios kauft - ob von Banken, Versicherungen oder Finanzdienstleistern - muss heute entscheiden: Will er die Kosten und Zeit sparen, oder will er die Sicherheit eines nationalen Verfahrens?

Die Antwort ist klar: Wer international operiert, braucht GSOs. Sie sind nicht perfekt - aber sie sind die effizienteste Lösung, die es gibt. Die Kostenersparnis von 70 bis 85 % ist kein theoretisches Konzept - sie ist in der Praxis erlebbar. Ein Anwalt aus Manchester berichtete, dass er für ein Portfolio von 1.800 Forderungen seine Kosten von 285.000 Euro auf 11.500 Euro reduzierte - mit einem GSO.

Die Herausforderung liegt nicht im Verfahren selbst, sondern in der Vorbereitung. Wer die Dokumente nicht sauber macht, wer die Aktennummern nicht prüft, wer die Benachrichtigung vernachlässigt - der wird scheitern. Die GSO ist kein Werkzeug für Laien. Sie ist ein Spezialinstrument - und wer sie beherrscht, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil im globalen Markt für distressed debt.

Die Welt der Forderungsrechte wird immer globaler. Wer sich darauf einstellt, wird nicht nur schneller - er wird auch günstiger und sicherer arbeiten. Die Substitutionsgesetze sind nicht nur ein juristisches Detail. Sie sind ein Schlüssel zur Effizienz im internationalen Finanzrecht.

12 Kommentare

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    christian thiele

    November 14, 2025 AT 22:20

    Das GSO-Verfahren in England ist einfach genial. Ich hab vor zwei Jahren ein Portfolio übernommen und musste in Deutschland 147 Fälle einzeln anmelden. Monate lang Papierkram. Mit GSO wär das in drei Wochen erledigt gewesen. Warum machen wir das nicht auch so hier? Es ist doch nicht schwer, einfach ein paar Regeln zu ändern.

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    Juergen Erkens

    November 16, 2025 AT 00:44

    Deutschland ist halt immer noch im Mittelalter. Jeder Fall muss einzeln beantragt werden. Das ist lächerlich. Wer das nicht sieht, der versteht nichts von Wirtschaft.

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    Stephan LEFEBVRE

    November 17, 2025 AT 04:02

    92 % Genehmigungsquote? Ach echt? Und wer bezahlt die Schadensersatzklagen, wenn 12 % der Beklagten nicht benachrichtigt werden? Das ist nicht effizient, das ist gefährlich. Die Briten spielen mit Feuer und nennen es Innovation.

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    Ricky kremer

    November 17, 2025 AT 16:14

    Hört zu! Wer Forderungsportfolios kauft, muss endlich aufhören, mit alten Methoden zu arbeiten. GSO ist die Zukunft. Keine Ausreden. Keine Bürokratie. Einfach machen. Wer nicht mitzieht, bleibt zurück. Zeit ist Geld. Und wir haben keine Zeit mehr!

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    Ralf Ziola

    November 19, 2025 AT 11:15

    Das GSO-Verfahren ist, wie so oft, eine britische Überlegenheitsphantasie, die sich auf formale Prozessregeln stützt, ohne die tiefere juristische Tragweite zu berücksichtigen. Die CPR 23.7 ist kein Rechtsinstrument, sondern ein administratives Werkzeug, das die Rechtsstaatlichkeit untergräbt. Wer das als „effizient“ bezeichnet, hat das Grundgesetz nie gelesen.

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    Julia Olkiewicz

    November 21, 2025 AT 08:13

    Ich hab das Gefühl, wir reden hier über Menschen, die als Zahlen in einem System verschwinden. Werden die Schuldner überhaupt noch als Menschen gesehen? Oder nur als Posten auf einer Excel-Tabelle? Ich hab Tränen in den Augen, wenn ich das lese.

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    Angela Mick

    November 22, 2025 AT 05:22

    Wow, das mit der Blockchain-Technologie klingt ja fast wie Sci-Fi 😮 Aber seriös: Wenn die Daten von 12.000 Leuten gestohlen werden, weil jemand „effizient“ sein will… ist das dann noch Fortschritt? Oder nur ein riesiger Datenkrake mit einem guten PR-Team? 🤔

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    Angela Sweet

    November 23, 2025 AT 12:36

    Die EU-Richtlinie ist ein Trick. Die Briten nutzen das, um ihre Gesetze überall aufzuzwingen. Das ist keine Harmonisierung, das ist rechtliche Kolonialisierung. Wer glaubt, das ist fair, der schläft.

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    Erika Argarin

    November 24, 2025 AT 14:57

    Es ist erschreckend, wie wenig die meisten hier verstehen. GSO ist kein „Verfahren“, es ist eine juristische Falle. Die Briten haben eine Lücke im Zivilprozessrecht ausgenutzt, die in jedem rechtsstaatlichen System als Verletzung der Anhörungsrechte gelten müsste. Wer das als „Effizienz“ feiert, hat keine Ahnung von Recht. Ich habe in Oxford darüber promoviert. Und ich sage: Das ist gefährlich.

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    hanna drei

    November 26, 2025 AT 10:33

    Deutschland ist nicht ineffizient. Wir sind vorsichtig. GSO ist ein Einfallstor für Hedgefonds, die mit falschen Aktennummern und gefälschten Kaufverträgen Leute ruinieren. Und dann kommt der Anwalt und sagt: „War doch alles legal!“ Nein. Es war kriminell. Und die Leute, die das durchziehen, verdienen Millionen. Wir verlieren unsere Rechte.

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    Maria Klein-Schmeink

    November 27, 2025 AT 02:33

    Ich find’s super, dass es so etwas gibt. Endlich mal ein System, das nicht alles unnötig kompliziert macht. Vielleicht sollten wir mal anfangen, andere Länder zu beobachten, statt immer nur auf uns selbst zu schauen.

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    Christian Pleschberger

    November 28, 2025 AT 14:21

    Als Österreicher sehe ich das mit gemischten Gefühlen. Die Effizienz des britischen Systems ist beeindruckend – doch die Kultur des Rechts ist nicht nur eine Frage von Prozessregeln. In Österreich und Deutschland geht es um den Schutz des Einzelnen, nicht um die Optimierung von Portfolios. Vielleicht brauchen wir nicht das GSO – sondern eine europäische Lösung, die beides vereint: Effizienz und Rechtssicherheit. 🌍⚖️

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