Wenn Sie Blutverdünner einnehmen, wissen Sie: Es geht nicht nur darum, Blutgerinnsel zu verhindern. Es geht auch darum, zu erkennen, wann eine Blutung wirklich gefährlich wird. Viele Patienten gehen zu oft ins Krankenhaus - und viele andere ignorieren Warnsignale, bis es zu spät ist. Die richtige Entscheidung kann Leben retten.
Was tun, wenn die Blutung nicht aufhört?
Wenn Sie sich schneiden, blutet es länger als sonst. Das ist normal. Blutverdünner wie Apixaban (Eliquis), Rivaroxaban (Xarelto) oder Warfarin (Coumadin) verlangsamen die Gerinnung. Das bedeutet: Ein kleiner Schnitt kann 5 bis 7 Minuten dauern, bis er aufhört. Bei Menschen ohne Medikamente ist es meist 2 bis 3 Minuten.- Drücken Sie mit beiden Händen fest auf die Wunde - mindestens 10 Minuten ohne Unterbrechung.
- Heben Sie die verletzte Stelle höher als das Herz - zum Beispiel einen Arm oder ein Bein.
- Kein Wasserstoffperoxid. Kein Alkohol. Kein Pflaster, das Sie nach 2 Minuten abreißen, um nachzuschauen.
Warnsignale, die Sie nicht ignorieren dürfen
Nicht jede Blutung ist gleich. Ein blutender Zahnfleischrand? Ärgerlich, aber meist harmlos. Aber wenn Sie Blut erbrechen, Blut im Urin sehen oder schwarze, teerartige Stühle haben, ist das kein Zufall. Das sind klare Zeichen für innere Blutungen.- Blut im Erbrochenen oder beim Husten: Kann aus Magen, Lunge oder Speiseröhre kommen. In 0,3-0,5 % der Patienten pro Jahr.
- Blut im Urin: Roter oder brauner Urin. Zeigt auf Nieren- oder Blasenblutung. Kommt bei 0,4-0,7 % jährlich vor.
- Schwarze, teerartige Stühle: Das ist verdautes Blut aus dem Darm. Bei 0,6-1,2 % der Patienten jährlich. Ein Notfall.
- Nasenbluten länger als 30 Minuten: Auch wenn Sie gedrückt haben. Nicht nur 10 Minuten - 30. Wenn es danach noch blutet, ist es zu viel.
- Plötzlicher, starker Rückenschmerz: Kann auf eine Blutung im Rückenraum (Retroperitonealblutung) hindeuten. Selten, aber tödlich.
- Starke Schwindelgefühle, Atemnot, extreme Müdigkeit: Das sind Anzeichen, dass Sie bereits 15-30 % Ihres Blutvolumens verloren haben. Der Körper kämpft ums Überleben.
Was ist "nur" lästige Blutung?
Die Mehrheit der Notfallbesuche von Patienten mit Blutverdünner ist unnötig. Laut einer Umfrage der Stop the Clot Foundation aus 2023 gehen 61 % mindestens einmal im Jahr in die Notaufnahme - und 43 % davon wegen etwas, das gar nicht lebensbedrohlich war. Häufige Gründe: kleine Nasenbluten, Zahnfleischbluten, leichte Prellungen. Das ist lästig, ja. Aber nicht lebensbedrohlich. Und hier liegt die größte Gefahr: Viele Patienten hören dann auf, ihre Medikamente einzunehmen. Sie denken: „Wenn es so oft blutet, muss ich das absetzen.“ Das ist ein schwerer Fehler. Die Michigan Anticoagulation Quality Improvement Initiative (MAQI) fand heraus: 68 % der Patienten, die ihre Blutverdünner wegen kleiner Blutungen absetzten, hatten innerhalb von 30 Tagen einen gefährlichen Gerinnsel - einen Schlaganfall, eine Lungenembolie oder einen Herzinfarkt. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu bekommen, steigt in der ersten Woche nach Absetzen um 300 %. Ein Nasenbluten, das 12 Minuten dauert? Das ist kein Grund, das Medikament abzusetzen. Es ist ein Grund, mit Ihrem Arzt zu sprechen - nicht mit dem Notarzt. Eine Telefonberatung reicht oft aus. Studien zeigen: 73 % dieser Besuche hätten mit einem Anruf bei der Praxis verhindert werden können.
Warum manche Blutverdünner sicherer sind als andere
Nicht alle Blutverdünner sind gleich. Früher war Warfarin das Standardmittel. Heute nehmen die meisten Patienten direkte orale Antikoagulanzien (DOACs) wie Apixaban, Rivaroxaban oder Dabigatran. Warum? Weil sie einfacher einzunehmen sind - keine regelmäßigen Blutkontrollen, weniger Wechselwirkungen mit Essen. Aber auch die Blutungsrisiken unterscheiden sich. Die ARISTOTLE-Studie (2022) zeigte: Apixaban hat das niedrigste Risiko für schwere Blutungen - nur 2,13 Ereignisse pro 100 Patientenjahre. Warfarin liegt bei 3,77. Das ist ein Unterschied von fast 40 %. Neue Medikamente kommen dazu. Seit 2023 gibt es Andexanet Alfa (Andexxa), das speziell bei Apixaban- und Rivaroxaban-Überdosen wirkt. Es stoppt die Blutung in 30-60 Minuten - statt wie früher in 3-4 Stunden. Und bald kommt Ciraparantag: ein Universal-Gegengift, das alle Blutverdünner neutralisiert. Das wird die Notfallversorgung revolutionieren.Was Sie jetzt tun können
Sie haben Blutverdünner? Dann machen Sie Folgendes - jetzt:- Erstellen Sie eine Notfallkarte: Schreiben Sie auf, welches Medikament Sie einnehmen, in welcher Dosis, und wer Ihr behandelnder Arzt ist. Legen Sie sie in Ihre Brieftasche oder am Handy ab.
- Wissen Sie, wo Ihr nächstes Krankenhaus mit Blutgerinnungs-Notfallteam ist? Nicht jedes Krankenhaus hat die richtigen Medikamente vorrätig. Fragt Ihren Arzt.
- Reden Sie mit Ihrem Arzt über kleine Blutungen: Wie lange darf ein Nasenbluten dauern? Was tun bei Zahnfleischbluten? Was ist ein „normaler“ blauer Fleck? Machen Sie einen Plan - nicht nur eine Angst.
- Vermeiden Sie Alkohol und Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Aspirin - die erhöhen das Blutungsrisiko zusätzlich.
- Wenn Sie sich verletzen: Drücken Sie 15 Minuten. Nicht weniger. Und wenn es nicht aufhört - fahren Sie nicht mit dem Auto. Rufen Sie den Notarzt.
Was passiert im Krankenhaus?
Wenn Sie mit einer schweren Blutung kommen, wird das Team sofort handeln. Sie bekommen Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung überwacht. Ein Bluttest zeigt, wie stark Ihre Gerinnung beeinträchtigt ist. Je nach Medikament und Schwere wird entschieden:- Wird ein Gegenmittel gegeben? (z. B. Andexxa bei Rivaroxaban)
- Wird Blut oder Gerinnungsfaktoren transfundiert?
- Wird die Medikation vorübergehend abgesetzt - und wie lange?
Was kommt als Nächstes?
Die Zukunft der Blutverdünner ist besser. Bis 2026 werden 45 % der kleinen Blutungen per Telemedizin abgeklärt - nicht mehr im Krankenhaus. Ärzte bekommen in Echtzeit Daten von tragbaren Geräten, die die Gerinnung messen. In Notaufnahmen wird es bald möglich sein, in 10 Minuten zu wissen, ob Sie ein Gegenmittel brauchen - oder nur Ruhe und Druck. Aber bis dahin: Vertrauen Sie nicht auf Angst. Vertrauen Sie auf Wissen. Und wenn Sie unsicher sind: Besser einmal zu viel ins Krankenhaus gehen als einmal zu wenig.Wie lange darf ein Nasenbluten bei Blutverdünner dauern, bevor ich ins Krankenhaus muss?
Wenn das Nasenbluten nach 15 Minuten mit konstantem Druck auf die Nasenflügel nicht aufhört, sollten Sie den Notarzt rufen. Wenn es nach 30 Minuten immer noch blutet, ist es ein Notfall. Viele Patienten halten nur 5-10 Minuten durch - das reicht nicht. Drücken Sie so fest, dass es wehtut. Und halten Sie durch - ohne nachzuschauen.
Darf ich meine Blutverdünner absetzen, wenn ich häufig blute?
Nein. Das ist extrem gefährlich. Blutverdünner wirken nur, solange Sie sie einnehmen. Bereits 24-48 Stunden nach dem Absetzen steigt das Risiko für einen Schlaganfall oder eine Lungenembolie dramatisch an. 68 % der Patienten, die ihre Medikamente wegen kleiner Blutungen absetzten, hatten innerhalb von 30 Tagen einen schweren Gerinnsel. Reden Sie mit Ihrem Arzt - nicht mit sich selbst.
Welche Blutverdünner haben das geringste Blutungsrisiko?
Apixaban (Eliquis) hat in Studien das niedrigste Risiko für schwere Blutungen - nur 2,13 Ereignisse pro 100 Patientenjahre. Warfarin hat mit 3,77 das höchste Risiko. Rivaroxaban und Dabigatran liegen dazwischen. Aber: Alle Blutverdünner erhöhen das Blutungsrisiko. Die Wahl des Medikaments hängt von Ihrer Krankengeschichte ab - entscheiden Sie das nicht selbst.
Was ist, wenn ich einen Sturz mit Kopfverletzung hatte - aber fühle mich gut?
Gehen Sie trotzdem ins Krankenhaus. Blutungen im Gehirn durch Blutverdünner können sich erst nach 24 bis 72 Stunden bemerkbar machen. Symptome: Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Sprachprobleme, Schwäche auf einer Körperseite. Wenn Sie warten, bis es wehtut, ist es oft zu spät. Besser ein CT-Scan, der nichts findet, als ein Schlaganfall, den Sie nicht verhindern konnten.
Kann ich mit Blutverdünner Sport treiben?
Ja - aber mit Vorsicht. Vermeiden Sie Kontaktsportarten wie Fußball, Boxen oder Rugby. Gehen, Radfahren, Schwimmen, Yoga und Krafttraining mit leichtem Gewicht sind sicher. Tragen Sie Schutzausrüstung, wenn Sie Fahrrad fahren. Vermeiden Sie Übungen, bei denen Sie stark den Bauch pressen - das erhöht das Risiko für innere Blutungen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Ihre Aktivitäten - er kann Ihnen einen individuellen Plan geben.
Geschrieben von Fenja Berwald
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